Die Chronik des Wassersportverein Niedervieland e. V.

Chronik  „Wassersport – Verein - Niedervieland"  e.V.“

 

Ein Törn am Stromer Deich ist für einen Wassersportler nicht unbedingt ein Geheimtipp.

Folgt r diesem Tipp, findet er abseits der Alltagshektik in romantischer Umgebung die Anlage der „ Niedervieländer „.

Der Standort ist leicht auszumachen, nämlich bei den zwei Gaststätten Luley und Wilkens. Die Anreise ist zwar nichtgerade unbeschwerlich, wenn man davon ausgeht, dass das Ochtmsperrwerk passiert werden muss – die Tide muss passen, und außerdem ist die Stedinger Ochtumbrücke zu überqueren. Besonders die Segler empfinden das im allgemeinen als mühsam wegen des Mastlegens, aber die Schönheit der Natur, in der die Reise am Anleger des WVN enden soll, entschädigt für die aufgewandte Mühe.

Bei unseren Gastwirten wird jeder freundlich bewirtet, hat man Gelegenheit zu einem Klönschnack, und das alles nun über Generationen hinaus. Die teils noch urwüchsige Natur, die enge Verbundenheit mit den Familien Wilkens und Luley haben vor nunmehr 50 Jahren die Gründer des Vereins veranlasst, Bremen-Strom als Heimathafen zu wählen.

Es war die  Zeit der  Wirtschaftskrise und der Arbeitslosigkeit Mitte der zwanziger Jahre, als neben Turnverbänden und Naturfreunden der „Freie Wassersport“ entstand.  An der Ochtum schlossen sich viele Wassersportler  zum „Freien Wassersport Ochtum“ zusammen, aus dem nach dem Machtwechsel 1933 unter anderen der  Wassersport-Verein „Niedervieland“  hervorging. Und zwar verlangte ein  derzeit erlassenes Gesetz, auch die „Freien Wassersportler“ an der Ochtum zu einem einzigen Verein zusammenzuschließen Man erreichte es jedoch , zwei neue Vereinigungen durchzusetzen – einen für Niedersachsen und einen, der beim Amtsgericht Bremen eingetragen wurde, nämlich der Wassersport-Verein „ Niedervieland“.

 

Den ersten Vorsitz führte Friedrich Ortmann, ein Schuhmachermeister aus Bremen. Der Verein hatte damals drei Liegeplätze: an der Ochtumbrücke beim Gastwirt Tönjes, bei Luley und bei Wilkens. Die Mitglieder kamen sowohl aus Delmenhorst als auch aus Bremen, woran sich bis heute nichts geändert hat.

Das damalige Revier war der Freizeit entsprechend. Urlaubsreisen nach Neu-Helgoland und Brake oder gar Sandstedt stellen für diese Zeit und mit dem vorhandenen Bootsmaterial  schon bemerkenswerte Leistungen dar. Paddelboote und Kanadier – natürlich handbetrieben -  waren zu der zeit die Fahrzeuge der Wassersportler. Auf der Ochtum  begegneten sie sich mit schwerfälligen Torfkähnen, die das dringend erforderliche Brennmaterial zum Heizen und Kochen beförderten für die Anwohner der Ochtum  und Delme bis hin nach Hasbergen und Delmenhorst. 

Die Boote unserer Mitglieder lagerten im Sommer in den ohnehin  leeren Kuhställen oder auch unter freiem  Himmel am Deich. Im Winter „fand sich ein Weg“.

 

In der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre was es dem einen oder anderen Mitglied dann schon möglich, eingrößeres Boot anzuschaffen. Andere Sportkameraden kauften sich auch einen Außenborder.

Neben der Kanu- und Paddelabteilung gab es auch schon eine  Segelabteilung, zu deren Flotte Weser- und Grünhagenjollen sowie einige Kielboote gehörten.

Aas 1939 der Krieg ausbrach, kam das  Vereinsleben beinahe zum Erliegen. Nach dem Ende des Krieges mussten die zurückkehrenden Mitglieder zur Kenntnis nehmen, dass viele langjährige aktive Sportfreunde gefallen waren. Das Bootsmaterial war zumeist zerstört, sämtliche Unterlagen des Vereins waren den Bomben zum Opfer gefallen. Überdies reglementierten  die Besatzungsmächte die Ausübung des Wassersports. 

 

Dennoch oder gerade deswegen trafen sich unsere Mitglieder gleich nach dem Krieg wieder an der Ochtum.  Kameradschaft war es, die vielen  Sportfreunden half, die schwersten Jahre nach dem Krieg zu überwinden. Manche „Niedervieländer“ machten aus der Not eine Tugend: Schon 1947 entstand der erste Eigenbau – eine Jolle. Dieses Schiff war der Beginn einer Neubauwelle, die bis heute nicht abgeklungen ist.  Die Palette  reicht vom Paddelboot bis zur Seegehenden Kieljacht, die entweder als Neubau oder nach dem Motto „ aus alt macht neu“ entstanden. Heute besteht die Mehrzahl der Schiffe unserer Flotte aus Booten derartiger

Bauprogramme.

 

Die Geschichte des Vereins ist  - aus neuerer Sicht betrachtet -  entscheidend mitbestimmt worden von  wasserbaulichen Maßnahmen. Konnten wir bis 1947 mit einem Kielboot von 1,30 m Tiefgang noch bei halber Tide in der Bucht von Wilkens`Haus kreuzen, so machte sich danach der rapide zunehmende Schlickfall bemerkbar, der uns auch zwang, unsere Anleger zu verlegen. Zu der  Zeit war je ein Anleger für die Mitglieder in den Bootshäusern Luley und Wilkens für Kanadier und Kajaks ausgebracht sowie ein weiterer für die Segler. Die Ursache der sich verringernden Wassertiefe liegt in der Errichtung des „Silberstaus“ in der Ochtum und des „Schwarzen Staus“ in der Delme, weil die Selbstreinigungskraft des Flusses,  also die Durchströmung durch diese Bauwerke ab 1937 vermindert worden ist.

 

1950 wurden dann neue Anleger gebaut, zum Teil aus Eisen, das aus der Trümmerverwertung   in Bremen stammte. Der Segelanleger wurde erstmals direkt ans Ochtumufer gesetzt. Wie sich noch zeigen soll, haben die mehrfachen Ausbauten des Weserfahrwassers mit allen ihren Vor- und Nachteilen des Vereinslebens bis in die jüngste Vergangenheit immer wieder nachhaltig beeinflusst.

Die Bootshäuser bei Luley und Wilkens wurden vorm Zweiten Weltkrieg gebaut und vom Verein gepachtet. Während das Bootshaus bei Wilkens -  laufend aufgebaut und modernisiert – noch heute von uns benutzt wird, war das ursprüngliche Bootshaus bei Luley infolge der ständig steigenden Mitgliederzahl zu klein und ist deshalb 1950 durch den Bau eines neuen Hauses im Vordeichsgelände ersetzt worden. Dass bei der Errichtung dieses Gebäudes alle Vereinsmitglieder tatkräftig mitwirkten, ist selbstverständlich.

In den fünfziger Jahren hatte der Verein das Bootshaus von Hinrich Luley gekauft und sich damit seine erste eigene Behausung geschaffen.

Bereits kurze Zeit darauf wurde neben diesem Gebäude durch Aufschüttung  neues Gelände  gewonnen, auf dem der WVN 1968 sine große Lagerhalle für Segelboote errichtete. Diese größte Investition in der Vereinsgeschichte ist zum Teil per Deponat von einigen beherzten Mitgliedern finanziert worden – der Bau der Halle konnte wiederum überwiegend  in Eigenleistung erstellt werden. Darüber hinaus fehlt auf dem Schlickuntergrund vor der Halle jetzt auch nicht die belastungsfähige Slipbahn nebst allem Zubehör wie Winde und dergleichen.

 

Während unsere „Paddler“ schon seit den dreißiger Jahren bis 1953 unter anderem sehr oft den Lemwerdersand ansteuerten , um dort zu lagern, Geselligkeit zu pflegen und Feste zu feiern, konnten die Segler unbehelligt so ziemlich überall an in der  Ochtum und Weser bis zu dieser Zeit des nachts ankern.

Die vorher schon erwähnten Ausbauten der Unterweser und ihre erforderlichen Folgemaßnahmen haben immer drastische Veränderungen zu Lasten der Wassersportler ausgelöst: Der Lemwerdersand musste als Lagerplatz aufgegeben werden; der Harriersand war dann für viele Jahre „Vereinsplatz“ für Kanusportler und Motorbootfahrer, bis die hohe Obrigkeit in Stade Ende der siebziger Jahre befand, dass dieser Platz nach mehr als zwanzig Jahren Praxis nicht mehr benutzt werden dürfte, und dafür Gründe angab, die wir bis heute nicht verstanden haben.

Den Seglern erging es nicht viel besser. Liege- und Ankerplätze fielen  dem Weseraufbau zum Opfer  um nur einige zu nennen: Schließung des Blömers, dadurch Versandung der Westergate; Aufhebung des Abser Siels und dadurch hoher Schlickfall im Außentief, und so weiter ….

 

Der Bau der Sturflutsperrwerke an Lesum, Ochtum und Hunte stellte alle Wassersportler vor neue Aufgaben. Um sie zu lösen, entstand 1969 die Interessengemeinschaft der Wassersporttreibenden Vereine an der Ochtum (IGO), der sich alle an der Ochtum beheimateten Vereine anschlossen, so auch der WVN. Langwierige Verhandlungen aller Delegierten der IGO mit den zuständigen Stellen hatten den erwünschten Erfolg. Heute können im neuen Durchstich der Ochtum zum Sperrwerk mehr als 90 Boote an den Steganlagen festmachen. Auch der WVN hat dort eine 40 Meter lange schwimmende Anlage, die selbstverständlich wieder in Eigenarbeit erstellt wurde.

Die alte Ochtummündung bei Altenesch ist 1976 zugeschüttet worden – dadurch entstand der Ochtum – Altarm, der, wenn er nicht gegenüber dem Durchstich abgeschottet worden wäre, soviel Wasser aufgenommen hätte, dass infolge hoher Strömungsgeschwindigkeiten im neuen Durchstich kostspielige Uferbeschädigungen entstanden wären. Kurzum, ein kühner Gedanke wurde mit dem Bau der Sportschleuse mit Abschlussdamm vorm Altarm verwirklicht. Die Vereine der IGO beteiligten sich finanziell an diesem Millionenprojekt in einem Maße, das sie – so auch uns – an den Rand ihrer Belastbarkeit brachten. 

 

Wir sind heute stolz darauf, durch Mitarbeit in Ausschüssen, Eigenleistungen und finanzielles Engagement weitere Liegeplätze geschaffen zu haben. Ein Stück urwüchsiger Landschaft der Ochtummündung wird uns und den nachfolgenden Generationen damit erhalten.

 

Der Anleger bei Wilkens für Segel- und Motorboote ist im Laufe der Zeit viermal in Eigenarbeit gebaut worden, das letzte Mal  im Jahre 1981 mit einer Länge von etwa 70 Metern, an Pfählen verankert. Nur auf diese Weise ist es möglich, für einen geringen Mitgliedsbeitrag erhebliche Werte zu schaffen bzw. zu erhalten. 

Der „ Niedervieländer“ ist kein Kind von Traurigkeit. Gibt es ein Fest zu feiern, ist er dabei. Doch auch Feste zu organisieren ist eine Spezialität des WVN. Besonders die Sommerfeste in den fünfziger Jahren mobilisierten Flotten vieler  Vereine von Bremen bis hinunter nach Rechtenfleth. Auf dem Lagerplatz in Strom zählten wir nicht selten mehr als hundert Boote, und die Segler erschienen so zahlreich, dass der  „Tufeldienst“ eingestellt wurde, weil jedes Boot trockenen Fußes erreicht werden konnte. Im Winter führten Kohl- und Pinkel - Fahrten  ins „Oldenburgische“ bei Teilnehmerzahlen zwischen 100 und 180 Personen, unterstütz von zwei Kapellen….. Wenn auch die Zahlen der teilnehmenden Sportfreunde an Festen und Kohlfahrten gesunken sind, so ist doch die stete Bereitschaft zu feiern noch bis heute  erhalten geblieben.

In fünfzig Jahren Vereinstätigkeit haben bereits mehrere Generationen im WVN Wassersport betrieben. Es ist stets ein besonders Anliegen des Vereins gewesen, Jugendliche an den Wassersport heranzuführen. Dank unserer Jugendgruppe, der zu Ausbildungs- und Trainingszwecken der Pirat „Peter“, mehrere Optis und Paddelboote zur Verfügung stehen,  kennen wir keine Nachwuchsprobleme. Durch die intensive Jugendarbeit erhalten nicht nur die Kinder unserer Mitglieder, sondern alle interessierten Jugendlichen eine gewissenhafte Ausbildung, die danach, je nach Alter, mit einer Prüfung vor einen Ausschuss des Deutschen Segler-Verbandes abschließt. Eine Namensliste derer, die mit ihrem „Patent“ an Bord  älterer Sportkameraden ihre Kenntnisse erweiterten und heute als Skipper selbst ein eigenes Schiff steuern, wäre zu lang, um sie hier zu veröffentlichen.

Die Mitglieder  des Wassersport-Vereins „Niedervieland“ bilden  heute eine große in sich geschlossene Familie. Alle streben danach, an und auf dem Wasser ihren Sport, sei es Paddeln, Motoren oder segeln, als Wander- oder Regattasport in einer Mannschaft oder als Individualist auszuüben.

Die vergangenen fünfzig Jahre haben nicht nur das Zusammenleben der Menschen verändert, wir verfügen heute über wesentlich mehr Freizeit als vor 50 Jahren, und uns steht eine weitaus bessere Flotte zur Verfügung.  All diese Vorteile werden wir nutzen können, wenn wir die verantwortlichen Behörden darauf aufmerksam machen , dass die heute noch vorhandenen Liegeplätze in Sielen und Nebenarmen der Flüsse zu erhalten sind und im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten neue Anlegestellen geschaffen werde. Trotz der ansehnlichen Leistungen, die von den Mitgliedern des WVN in den zurückliegenden Jahren erbracht wurden, bleibt auch noch für die vor uns liegenden Jahre viel zu tun…..! Gode Wind!